Wie man mit Übergewicht den Halbmarathon schaffen kann
Zur Zeit fragen mich sehr viele Menschen, wie es dazu kam und wie ich es erlebt habe, trotz meines Übergewichts (ich wog am Tage des Halbmarathons 103 Kilo) einen Halbmarathon über 21 km zu laufen.
In diesem Artikel möchte ich Euch schildern, wie ich zu dieser Idee kam, wie ich sie letztendlich meisterte und welche unerwarteten Überraschungen mit heimsuchten.
Wisst Ihr was meine Triebfeder war?
Schlichtweg mein innerer Ruf! Nicht mehr und nicht weniger. Seit ich als Egocoach meine Berufung lebe, andere Menschen in ihrer Suche nach Glück und Erfüllung zu begleiten, hatte ich immer den tiefen Wunsch, ein Exempel zu statuieren. Ich wollte diesen Menschen ein kleines Licht geben, eine kleine Lampe in der Dunkelheit, die in ihnen selbst die Idee heranwachsen lässt, dass sie möglicherweise selbst in der Lage sind, ALLES zu erreichen.
Da nun in der Öffentlichkeit aber viele Coachs viel reden und das Bild unserer Arbeit stark verwässert ist, wollte ich einen anderen Weg gehen. Einen Weg, mit dem ich ohne große Worte zeigen kann, was möglich ist. In der Umsetzung steckt selbstverständlich eine persönliche Entwicklung. Ich habe viele Hürden meistern müssen, bis ich zu solch Schritten wie meinem ersten Video oder aber dieser sportlichen Herausforderung in der Lage war. Dazu gehörte sehr viel Training. Jedoch mehr geistiges als körperliches Training. Vor allem Selbstreflexion und Mentaltraining. Ich nenne es auch mentale Hygiene und Schweinehundtalk © 🙂 .
Die Vorbereitung – Mit Übergewicht den Halbmarathon schaffen
Zunächst einmal war mein Ziel wesentlich kleiner. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal den Free and Out-Lauf in Ampfing (eine Art Stadtlauf) mitgelaufen. Aber nur eine 7 km-Strecke und diese nur etwa vier Monate nach meinem Kaiserschnitt.
Dieses Mal hatte ich mir 14 km vorgenommen. Mein innerer Ehrgeiz warf in Selbstgesprächen natürlich immer mal wieder den Halbmarathon in den Raum. Aber ich wollte erfolgreich sein anstatt zu scheitern. Also sagte ich mir „Ach was, die Steigerung von 7 auf 14 sind 100% und eine enorme Leistung. Verbessern kann ich mich im nächsten Jahr immer noch“.
Also begann ich meine übliche Laufstrecke auszudehnen, immer mal ein bisschen weiter. Zunächst etwa 8 km, dann eine Teilstreckenwiederholung. So kam ich ziemlich schnell auf 10 km. Natürlich versuchte mich mein Schweinehund ständig hinterrücks zu verführen und mein Körper zeigte diverse Wehwehchen. Hier kamen mir mein Schweinehundtalk zu Hilfe.
Als die Strecke schon deutlich länger war, achtete ich auf die AusDAUER.
Dann war ich plötzlich im Aus! Mein Körper machte total schlapp und ich konnte samt den Einschränkungen die man als Mutter von drei Kindern in den Sommerferien so hat, etwa vier Wochen gar nichts machen. Als ich wieder startete, hatte ich noch drei Wochen und musste wieder bei 7 km beginnen.
Damit der Klotz nicht so schwierig war, achtete ich erstmal überhaupt nicht mehr auf Entfernungen, sondern konzentrierte mich wieder auf die Steigerung meiner Gesamtzeit. Bisher hatte ich immer etwa eine knappe Lahmstunde für die 7 km gebraucht. Nun steigerte ich mich von Lauf zu Lauf in Viertelstundeneinheiten. Dabei war ich überrascht, wie schnell mein Körper diese Steigerungen mitmachte. Zuletzt war ich fast 2,5 Stunden für 16 km unterwegs. War bestimmt ein lustiges Bild. Morgens mit Fahrradanhänger zur Krippe, dann in den Kindergarten, Anhänger wieder heim, dann noch mal meine übliche Strecke und nach dieser eine kleinere „Winter-Wiedereinstiegsstrecke“. Ich war eine gefühlte Ewigkeit unterwegs. Aber damit hatte ich erkannt, dass die 14 km innerhalb der Öffnungszeiten des Laufes (war mit 3,5 h angegeben) zu schaffen waren.
Mit Übergewicht den Halbmarathon schaffen – der Lauf selbst
Im Gegensatz zum Vorjahr – da hatte ich richtig Bammel, weil ich ja noch gar keine Vorstellung von dem hatte, was mich erwarten würde – war ich dieses Mal sehr gelassen und eher in absoluter Vorfreude. So bastelte ich noch meine Motivationsbotschaft für das „Foto danach“ und baute bei Facebook ein bisschen Erwartungsdruck für mich selbst auf. Das war total ungewohnt! Ich hatte keinerlei Wettkampferfahrung in diesem Sinne. Also anzukündigen was ich vorhatte und dann auch bestehen zu müssen (wollen), war eine ganz eigene Erfahrung! Natürlich fragt man sich, wie peinlich es wird, wenn man scheitert 😳 . So bekam ich eine Vorahnung des heutigen Drucks großer Sportler.
Etwas unsicher wurde ich dann vor Ort aber trotzdem. Es war viel kälter als im kurzen T-Shirt angenehm und regnete in Strömen. Über Lautsprecher kam schon die Meldung, dass ein Teil der Strecke bereits stark durchnässt war (die Strecke in Ampfing ist eine wunderschöne Strecke mit teils geteertem, aber eben auch natürlichem Untergrund).
Als der Startschuss fiel, wurde der Regen gerade stärker.
Während immer mehr Menschen an mir vorbei zogen, gelang es mir nur schwer, warm zu werden. Jeder Schritt fühlte sich an, als wenn die Erdanziehungskraft mir einen besonderen Streich spielen wolle. Als dann ein sehr steiler Berg kam, dachte ich, ich käme da nie rauf. Es war ein Gefühl, als wenn ich strampelte, während man von hinten festgehalten wird. Meine Oberschenkel schmerzten wie eine fettleibige Taille, der man mittels Korsett eine Wespentaille verpasst.
Wie sollte ich da nur ein weiteres Mal hochkommen (sofern ich überhaupt soweit kam, von dieser Stelle aus noch einmal 7 km zu schaffen, um nur diesem Berg zu begegnen, geschweige denn den Rest der Strecke bis zum Zieleinlauf auch noch zu schaffen!)? Somit war an den Halbmarathon also gar nicht mehr zu denken. Mein Ziel war, irgendwie diese 14 km zu schaffen – und – zu überleben!
Den ersten Versorgungsstand mit Getränken und Obstverpflegung ließ ich zugunsten meiner Blase aus. Ebenso auch den im Zieleinlauf.
Der Boden wurde immer matschiger. An manchen Stellen hatte ich Angst, dass mir der Matsch die Schuhe ausziehen würde, weil der Schuh stecken bleibt, während der Fuß noch im Weiterlaufen begriffen ist. Dann kam wieder der Berg! Und er war gewachsen 😥 ! Als ich ihn hochlief, fiel mir Charlie Chaplin ein, seine flotten Füße hätte ich gern gehabt. Aber es fühlte sich eher an, als die Standbilder jener Zeit. Als wie wenn ich gegen eine unsichtbare Macht lief.
Einige Streckenposten sahen mich überrascht an, als ich wieder an ihnen vorbei lief und zollten Respekt. Das war ein vollkommen ungewohntes Terrain! Mich bewundert zu wissen. Das kannte ich nicht und wusste daher auch gar nicht recht, wie ich damit umgehen sollte. Mein Mundwerk ist zwar preussisch laut und ehrlich, aber nicht sonderlich schlagfertig. Mein Humor versteckt sich immer um die Ecke … .
Als ich den Berg geschafft hat, fühlte ich nur noch Gummi in den Beinen. Aber ich motivierte mich mit der Versorgungsstation. Bis zu ihr wollte ich es schaffen und endlich etwas Trinken! Sie schien unerreichbar weit weg. Tonnen der Erleichterung als sie am Horizont endlich aufblitzte und die gleichen Tonnen Enttäuschung, weil mein Körper gar nicht recht stehen bleiben wollte. So trippelte ich beim Trinken am Stand vorbei, warf nur noch den Becher in die bereitgestellte Wanne, griff nach einem Apfelstück, damit ich meinem Geist mit dem Kauen Ablenkung verschaffen konnte und war unterwegs, die letzten 3,5 km zu meinen geplanten 14 abzuschließen.
Als ich dem Zieleinlauf näher kam, wählte ich nicht die Schneise für die dritte Runde, sondern den Zieleinlauf, damit meine Zeit gemessen werden konnte. Aber innerlich war plötzlich klar, dass ich weitergehen würde. Außer meiner Familie und einem Journalisten der Läuferzeitung nahm ich nur ein paar sitzende Leute war. Keine Ahnung, ob mich irgendwer bemerkte. Es war insgesamt nur noch wenig los. So stolperte ich zum Getränkestand und startete Runde 3.
Auf diese Überraschung war ich nicht gefasst
Meine Glieder hatten längst Urlaub beantragt und ich das Gefühl, dass es nur noch mein Geist war, der weiterlief.
Dann kam der Berg zum dritten Mal – und natürlich war er wieder gewachsen – außerdem war ich zu allem Übel nun auch noch geschrumpft. Als meine Füße sich da in Zeitlupe hochkämpften, stellte ich mir vor, der Himmel würde mich als Marionette steuern und nach oben ziehen. Ein Streckenposten war im Auto bereits eingeschlafen. Ein anderer ein Stückchen weiter war so überrascht mich zu sehen, dass er wie eine gestochene Tarantel aus seinem Auto heraussprang und mich anfeuerte.
Plötzlich veränderte sich etwas. Beim nächsten Posten hatte ich das Gefühl einer schwindenden Fata Morgana. Also ich sah nicht Dinge, die nicht da waren, sondern es waren Dinge nicht da, die hätten dort sein müssen. Shit, die Streckenposten schienen im Aufbruch begriffen und nicht mehr alle verlässlich da. Angesichts des grausigen Wetters verstand ich das zwar. Aber das Ganze sollte 3,5 Stunden geöffnet sein und ich lag gut in der Zeit (ich hatte mich am Vortag extra noch einmal beim Veranstalter rückversichert)!
Während sich meine Emotionen noch uneinig waren, ob sie das verunsichern oder ärgern sollte, fragte sich mein Verstand, ob es nun sinnvoller war, den mitgenommenen Energieriegel gleich zu essen oder lieber auf die Bananen in der Obststation zu setzen, die als schnelle Energieeinheit galten. Der Schweinehund gewann die Oberhand in dem er sich auf den Deal einließ, im Gegenzug weiter durchzuhalten. Ich aß den Riegel. Genuss ist etwas anderes! Dermaßen pappig süß, dass man fürchten muss, seine Zähne auf immer zu verkleben. Und zusammenklebende Zähne, die sich noch im Kauen befinden, während der Körper sich zeitgleich mit Muskeln in Bewegung befindet, die mangels Magnesium nun auch schon zusammenzukleben scheinen, hält den Spaßfaktor an diesem Erfahrungswert auf Sparflamme.
Alles in mir wollte aufgeben! Meine einzige Motivation war der Gedanke an die kleine Erfrischung und somit Ablenkung am nächsten Versorgungsposten. Wenn ich es bis dahin schaffen würde, hätte ich nur noch 3,5 km, die angesichts der dann schon geschafften knapp 18 ja auch nur noch ein Klacks wären. Ich fühlte die Erleichterung dieser Station mit all meinen Sinnen, um mich bis dorthin schleppen zu können. Ich dachte nicht nur noch an dieses Wort, ich sang es innerlich förmlich. Es zog sich ewig, bis ich ihr endlich nahte – eine letzte Kurve – ach nee, diese Runde war’s ja auch noch – oh Mist, stimmt die Brücke – und dann ENDLICH – ääh wiiiiee jetzt 😯 – wo war die Station?!
Verfluchte Scheiße! Sie hatten abgebaut, waren verschwunden, nicht mehr da, in Luft aufgelöst, ins Nirvana verschwunden – über eine Stunde vor dem offiziellen Ende 👿 ! Solche Armleuchter – was sollte ich denn jetzt tun? Ich hatte in der ersten Runde schon nix getrunken, mein Körper dehydrierte langsam. Abbrechen? Mit dem Handy meinen Mann rufen?
Dann wäre alles umsonst gewesen! Diese verdammten …! NEIN – das war ja nun ein Ausmaß an Frechheit, was ich nicht tolerieren wollte. Ich würde das verflucht nochmal trotzdem schaffen!!
Nach irgendeiner Kurve war noch eine ältere Dame mit ihrem Mann in Stellung. Schon von weitem rief ich die Frage entgegen, wo denn alle hin seien und ob sie Wasser für mich hätte.
„Wir kennen uns auch nicht aus. Scheinbar wurde durchgerufen, dass alle abbauen können“ rief sie zurück. Also ganz ehrlich – der Lauf findet bereits seit einigen Jahren statt. Unter Organisation verstehe ICH etwas anderes!
Glücklicherweise zog die Dame aus ihrem Auto eine Wasserflasche. Zwar hatte ich gelesen, dass in einer solchen körperlichen Ausnahmesituation normales Wasser zum Umfallen führen könne, weil das nicht in der Lage ist, die bereits stark verlorenen Mineralstoffe wieder auszugleichen und der Magen dann gern mit einem Schockzustand reagiert. Aber ob ich nun aus dem einen oder aus dem anderen Grund umfallen würde, war ja dann auch schon unwichtig. Ich stellte mir vor, dass in dem Wasser alles drin war, was ich brauchte bzw. mein Körper entsprechend umwandeln könnte, wie er es denn brauchte.
Endspurt – na klar zogen sich die letzten Kilometer ewig – aber meine Wut gab mir auch ein wenig Ehrgeiz!
Vor der letzten Kurve sah ich meine älteste Tochter warten, die scheinbar dem Papa zurief, dass die Mama jetzt käme. Als ich näher kam, erzählte sie mir, dass auch am Zieleinlauf alles abgebaut und außer der Grillstation niemand mehr da war. Selbst die Herrschaften der Zeitmessung hatten ihre Zeitdiebe vermomolicht.
Ich hatte ja Bammel, vor einer jubelnden Menge einzulaufen. So was mag und brauche ich nicht, weil ich gar nicht wüsste, wie ich darauf reagieren soll. Aber das hier?
Mein Mann nannte mir die Zeit seines Handys und übergab mir eine Kindermedaille. Die hatte er der Jury während des Einpackens noch abschwatzen können, damit es irgendwas gab, dass er mir überreichen konnte!
Und die Moral von der Geschicht‘? Traue keiner fremden Planung nicht 😉 !
Textquelle & Copyright: Tanja. Trotzdem – gern teilen
Bildquelle Pixabay: Joggende: running-on-a-path-4358895_640
Dieser Artikel wurde schon am 4. Oktober 2014 auf einer meiner alten Seiten veröffentlicht.