Spannend, dass ein aktiver Onlinestatus immer mal wieder mit permanenter Verfügbarkeit gleichgesetzt wird. Bloß weil ich nicht bei jedem sofort auf dem Messenger antworte oder mich immer häufiger aus Zwangschats oder ungefragten Gruppeneinladungen zurückziehe.
Ganz ähnlich wie jene Anrufe, die einfach deshalb ratschen wollen, “weil du doch zu Hause bist und eh so viel Zeit hast“. Hallo?! Homeoffice bedeutet doch nicht Langeweile. Ich bin soooo froh, endlich wieder zu tun was ich liebe. Dennoch ist das Arbeit, die eh grundsätzlich viel zu schnell davon rennt, weil ein Selbständiger alle Kostenstellen in sich selbst vereint, bis er mal so weit ist, Dinge auslagern/sich teilen zu können.
Kürzlich wurde ich ernsthaft zusammengeschissen, welch schlechte Freundin ich sei.
Ich muss nun mal noch etwas dafür tun, um den Vater meiner Kinder nicht weiter aufs Blut zu schröpfen und bin ein Charaktertypus, der sich in privaten Kontexten erst wohl fühlt, wenn alle Schiffchen im Trocknen sind. Und das sind sie momentan nicht, wie selbst das Finanzamt nicht müde wird, zu erinnern.
WIESO hat das Verhalten eines Menschen eine Aussage über dessen menschliche Qualität oder Ernsthaftigkeit in Freundschaften?? Manchmal wäre richtiges Zuhören auch ein angemessenes Verhalten. Denn dann würde der eine oder andere Zeitgenosse vielleicht kapieren, welche Absichten hinter einem Handeln liegen!
Hier mal ein paar Eckpunkte zur Klarstellung:
- Abgesehen davon, dass jeder Mensch seine eigene Zeit doch bitte allein einteilen, definieren und priorisieren können sollte, ist die private Pinnwand wie der Name schon sagt „PRIVATsphäre“. Zwei aktuelle Vorfälle haben mir gezeigt, dass ich noch mehr „Freunde“ löschen werde. Denn ich habe auf diesen Scheiß einfach keinen Bock mehr.
- Ein Onlinestatus könnte bedeuten, dass eine App/Anwendung einfach im Hintergrund offen läuft. Nicht zuletzt bei Selbständigen häufig der Fall, die wiederum umgekehrt möglicherweise an ihren Fanpages arbeiten und in ihrer Arbeitszeit immer mal wieder alles Private weitgehend ausklammern. Bloß weil ich Aufmerksamkeit für jemanden oder etwas widme, der oder das mir etwas bedeutet, heißt das nicht, dass ich 24h für alle Welt da sein muss.
- Wenn jemand auf Deine Beiträge und dergleichen nicht reagiert, hat das keinerlei Aussage über Deinen Wert oder irgendwelche Absichten des Gegenübers. Facebook hat einen eigenen Anzeigealgorithmus, den niemand durchschaut. Das bedeutet, dass Deine Beiträge nicht all Deinen Freunden angezeigt werden, bloß weil Du sie geteilt hast. Manche sehen Dich gar nicht. Weitere Faktoren sind
- die Uhrzeit,
- die Anzahl weiterer Freunde,
- deren Geschehnisse auf der eigenen Timeline bis er/sie selbst wieder drauf schaut,
- Beliebtheit von Beiträgen,
- Themenrelevanz in Bezug auf Zeitgeschehen
- etc. etc.
Auch wenn ich im Laufe der letzten Monate meine Freunde hier deutlich reduziert habe, um wieder mehr von jenen mit zu bekommen, die mir wichtig sind, habe ich (und das gilt sicher für die Mehrheit) nicht die Zeit, permanent die Chroniken aller Freunde zu durchforsten, um Neuigkeiten zu erfahren, weil sich sonst möglicherweise jemand persönlich übergangen fühlen könnte.
- Wenn Dir ein persönliches Ereignis sehr wichtig ist und Du sichergehen möchtest, dass bestimmte Leute davon erfahren, dann verlass Dich nicht auf Deine Chronik, sondern informiere sie persönlich!
- Das bedeutet jedoch nicht, dass Du einfach jeden in irgendwelche Gruppen oder Chats packen kannst. Wenn Du das tust, dann rechne mit einer ehrlichen Reaktion ohne demjenigen auch noch unangemessenes Verhalten anzukreiden, bloß weil er Dich auf diese Grenzüberschreitung hinweist!
- Im Zweifel bitte einfach mal daran zurückdenken, wie es früher war. Briefe waren Tage bis Wochen unterwegs. Heutzutage ist es kaum noch möglich, das Handy ein paar Tage auszuschalten, um sich zurückzuziehen, weil immer mindestens eine Person nicht nur sehr besorgt, sondern einige extrem beleidigt sind.
- Insbesondere Trainer und Coachs haben trotz aller Abgrenzung immer mal wieder bestimmte „Ziehkinder“, die ihnen etwas bedeuten und für die sie gern da sind. Nur werden auch diese immer mehr. Wenn dann permanent der Messenger oder gar Whatsapp aufleuchtet mit irgendwelchen „Huhu“, teilweise sogar von Menschen, die irgendwie zu Deiner Nummer kamen, ist es zuweilen nicht mehr lustig. Ganz besonders dann nicht, wenn diejenigen dann eine verzögerte Antwort persönlich nehmen. Stell Dir doch mal vor, Du sitzt auf Deiner Couch, bist tierisch platt, vielleicht geht es Dir gerade persönlich mal beschissen oder Du willst einfach endlich Deine Lieblingsserie schauen, auf die Du Dich die ganze Woche gefreut hast und alle paar Minuten hüpft Dir jemand auf die Couch, bloß weil Du als Trainer in einem Kurs einen guten Draht hattest oder gar nur beim Rewe mal nett geantwortet hast. This is not funny!!!
- Wenn Dich also ein Trainer/Coach/sonstiger Berater abweist, hat auch das keinerlei Aussage zum Wert Deiner Person. Lediglich über seinen eigenen sich selbst gegenüber. Denn wenn er/sie/in dem Fall ich sich nicht irgendwann abgrenzt, wird er draufgehen. Ganz sicherlich bist Du ein wundervoller Mensch und hast ganz liebe Eigenschaften und noch mehr liebe Menschen verdient. Aber auch Dein Tag hat nur 24h, Deine Zeit und Deine Aufmerksamkeit kannst Du nur einer bestimmten Anzahl von Menschen widmen. Irgendwann ist einfach TILT.
- Im Gegenteil. Wenn Dir jemand nicht die Aufmerksamkeit widmet, die Du verdienst, dann ist es möglicherweise sinnvoll, Dich zurückzuziehen. Ich für mich mache das mittlerweile. Deshalb habe ich ja bereits mehrere hundert Menschen wieder gelöscht. Möchte meine Timeline einfach nicht mehr zugespamt haben von Leuten, die nicht bereit sind, mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Bin ich denen beleidigt? Natürlich nicht. Jeder hat einen begrenzten Radius. Manchmal bildet man einen gemeinsamen Kreis, manchmal nicht. Manche liefern mir trotzdem einen geilen Mehrwert, z.B. mit Fachwissen. Wenn dauerhaft grundsätzlich keine Gegenreaktionen kommen, ziehe ich aber natürlich ebenso meine eigenen Rückschlüsse in Bezug auf unseren gegenseitigen Mehrwert. Jedes Netzwerk ist ein bisschen Geben und Nehmen.
Genau diese Feststellung und Priorisierung kann doch nur jeder Mensch für sich allein vornehmen. Das ist eine natürliche Reaktion, keine Fremdbewertung.
Kurzum: Eigene und fremde Grenzen respektieren und wahren, um einen Nutzen aus sozialen Netzwerken zu ziehen, keine Lasten.
Textquelle & Copyright: Tanja. Trotzdem
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Dieser Artikel wurde schon vor vielen Jahren auf einer meiner alten Seiten veröffentlicht. Leider hatte ich das Original versehentlich zwischengespeichert und daher das ursprüngliche Datum überschrieben.
1 thought on “Grenzen Ziehen in der permanenten Verfügbarkeit sozialer Netzwerke”